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Wir hatten schon ein mulmiges Gefühl, als wir beschlossen, die Idee von Uwe Schulze, dem Vorstand vom Verein Denkmalpflege Weipert aus Bärenstein, aufzugreifen und mit dem Zug eine Fahrt von Weipert nach Komotau und zurück anstatt unseres üblichen Treffens in Gunzenhausen zu organisieren. Uwe Schulze hat für uns auch den Kontakt zu Jan Martasek, einem gebürtigen Weiperter, der bei der Tschechischen Bahn angestellt ist, hergestellt. Schon vor einem halben Jahr begannen die Vorbereitungen. Das große Fragezeichen für uns war, ob unsere Heimatfreunde diese Idee auch gut finden und unser Angebot annehmen würden. Denn eines war von vornherein klar. So eine Fahrt geht nicht mit dem planmäßigen, sondern nur mit einem wesentlich teureren Sonderzug. Nach ausgiebigen Kalkulationen und Überlegungen haben wir den Sonderzug gebucht in der Hoffnung, dass sich 80 Heimatfreunde zu unserer Fahrt anmelden. Doch schon bald waren die Plätze belegt und wir mussten Interessierte auf eine Warteliste schreiben. Die zweite schwere Entscheidung stand im Raum, ein weiterer Waggon. Und wieder hatten wir ein mulmiges Gefühl, als wir eine Woche vor unserer Fahrt einen zweiten Waggon dazu bestellten. Ein großes Dankeschön an Jan Martasek, der das so kurzfristig und problemlos für uns in die Wege leitete.

Die Zugfahrt rückte immer näher. Viele Aufgaben standen bevor. Eintrittskarten entwerfen und drucken, Essen und Getränke bestellen und vor allen Dingen alles über die Buschtiehrader Eisenbahn in Erfahrung bringen, was nur möglich war. Bücher haben wir gewälzt, das Internet durchstöbert, alte Berichte ausgekramt und unsere Eisenbahnspezialisten Uwe Schulze und Jan Martasek ausführlich befragt.

Am Morgen des 9. Juni mussten 240 belegte Brötchen im Weiperter Supermarkt "Billa" abgeholt werden, 200 Flaschen Wasser und 10 Kisten Bier in PKW´s verladen und auf den Bahnsteig transportiert werden. Um halb 10 trafen schon die ersten Fahrgäste ein. Um 10 Uhr standen alle 110 Fahrgäste auf dem Bahnsteig am Weiperter Bahnhof, lösten ihre Fahrkarten und warteten gespannt auf den Zug, der pünktlich um 10:20 in den Bahnhof einrollte.

Genau 5 Minuten hatten wir Zeit um den Proviant und die vielen Fahrgäste geordnet in den Zug zu bringen. Dank vieler helfender Hände gelang dies hervorragend und der Zug konnte planmäßig seine Fahrt fortsetzen. Dieser Zug musste pünktlich sein, denn die Hinfahrt nach Komotau fand mit dem planmäßigen Zug statt.

Gleich nach dem Einsteigen warf ein technisches Problem erst einmal alle unsere Planungen über den Haufen. Die zuginterne Sprechanlage, über die wir alle Fahrgäste mit unseren Informationen und Geschichten abwechselnd unterhalten wollten, fiel aus. Während das Zugpersonal vergeblich versuchte, dieses Problem zu beheben, fuhr unser bunter Zug, der auf der Hinfahrt aus einem blauen, einem roten und zwei grün-gelben Waggons bestand, schon die erste Haltestelle an.

Weipert - Freibad. Gott sei Dank wollten hier keine Fahrgäste zusteigen. Denn an diesem Gleisabschnitt wird es steil und der Zug kann Probleme bekommen, wieder anzufahren, wie wir das selbst schon erlebten. Als bei einer unserer Vorbereitungsfahrten der Triebwagen hier nicht mehr loskam, stieg der Lokführer aus und streute zunächst Quarzsand auf die vom Pollenflug schmierig gewordenen Gleise. Als auch das nichts half, fuhr er bis zum letzten Bahnübergang zurück und holte neuen Schwung. Mit vollem Karacho überwand er dann die erste Steigung.

Doch zurück zu unserer Weiperter Zugfahrt. Unter der Brücke ging es nun am Friedhof vorbei nach Neugeschrei. Eine Teilnehmerin berichtete, wie sie am 19. Juni 1969 nachts um 2 Uhr bei strömenden Regen mit ihren Eltern und Geschwistern von dieser Haltestelle aus als Aussiedlerin die Reise in den Westen antrat.

Über böhmisch Hammer ging die Fahrt nun nach Schmiedeberg, wo weitere Fahrgäste zugestiegen sind. Während Uwe Schulze im gelb-grünen Waggon blieb und über den Werdegang der Buschtiehrader Eisenbahn und über viele Begebenheiten, die sich auf dieser Strecke zugetragen haben, erzählte, wechselten wir in den roten Waggon.

Weit verstreut und wunderschön liegt das 850 m hoch gelegene Schmiedeberg. Einer der Orte, der einen Bahnhof und zusätzlich noch eine Haltestelle hat. Durch diese Bahnanbindung begünstigt, siedelten sich Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zwei bedeutende Betriebe in Schmiedeberg an. Zum einen die Fischfabrik Kalla, die laut Chronik im Jahr 1943 mehr als 400 Menschen beschäftigte und jährlich 2.500 Tonnen Fisch, 300 t Zwiebeln, 130 t Salz, 300 t Gurken und 200.000 l Essig verarbeitete. Zusammen mit der kleineren Fischfabrik E. Lienert bekam Schmiedeberg genau auf diesen Gleisen 280 Waggons Fisch pro Jahr geliefert, vorwiegend Hering. Die Metallabteilung des Betriebes stellte jährlich eine Million Konservendosen her. Kallas Werbespruch lautete: Jedes Kind jeden Tag einen Bückling. Schön, dass die imposante Kalla-Villa zur Zeit wieder komplett renoviert wird.

Zum anderen gründeten die Herren Anton Elser und Franz Schröter hier 1868 eine Baumwollfabrik, die führend in der Herrstellung von Faden, Garn und Zwirn war. Bis heute wird hier produziert.

Weiter ging die Fahrt über bunt leuchtende Felder, durch grüne Wälder, durch eine allen Fahrgästen vertraute Landschaft, die sich an diesem Tag, von der Sonne verwöhnt, von ihrer schönsten Seite zeigte. Die Stimmung war gut und die ersten bekamen Hunger und Durst. Wir hatten mit Pilsner Urquell und Budweiser bestes böhmisches Bier an Bord, sowie reich belegte und liebevoll garnierte Brötchen und natürlich auch alkoholfreie Getränke.

Zwischen den Haltestellen Schmiedeberg-Markt und Kupferberg-Schacht passierte unser bunter und mit lauter netten Menschen besetzter Zug nun die "Wilde Henne", den mit 875 Metern über dem Meeresspiegel höchstgelegensten Punkt dieser 57,7 km langen Gebirgsstrecke von Weipert nach Komotau.

Schon von Weitem war nun der Kupferhübl zu sehen und Uwe Schulze, der so wunderschön zu erzählen wußte, sprach folgendes Gedicht:

Die nun folgende Haltestelle am Kupferberger Schacht ist die jüngste der Bahnstrecke. Sie wurde erst 1959 eingerichtet um die dort arbeitenden Bergleute an ihren Arbeitsplatz zu bringen und um das gewonnene Erz abtransportieren zu können.

Ein besonderes Erlebnis für uns alle war, dass wir an dieser Stelle wie von Zauberhand geleitet, zweimal auf den Kupferhübl zufuhren, weil die Strecke teilweise um den Berg herum führt.

Das Bahnhofsgebäude in Reischdorf steht seit 2012 nicht mehr. Dafür präsentiert sich von hier oben eine wunderschöne Sicht hinunter auf die Pressnitzer Talsperre. Zur Zeit des Bahnbaus hatte sich Pressnitz gegen eine Anbindung an die Strecke entschieden. Scheinbar gab es auch damals bereits Bürgerinitiativen und so wollten die Pressnitzer den Lärm und den Gestank der Lokomotiven nicht in ihrer Stadt haben. Doch schon bald bereuten sie diese Entscheidung. Und weil sie nun auf dieser damals für diese Region so bedeutenden Bahnstrecke auch erwähnt sein wollten, handelten sie mit den Reischdorfern aus, zumindest auf dem Bahnhofschild mit benannt zu werden. Daher hieß der Bahnhof später Pressnitz - Reischdorf. Im Nachhinein müssen wir für die Entscheidung der Pressnitzer dankbar sein, denn sonst wäre ein Teil der Strecke heute geflutet und womöglich gäbe es sie gar nicht mehr.

Peter Bartl erzählte an dieser Stelle von einem der berühmtesten Söhne von Pressnitz, dem Raketenforscher Eugen Sänger. 1905 in Pressnitz geboren, wurde er einer der bedeutendsten Weltraumpioniere. 1945 wollte Stalin ihn nach Russland holen, doch er hatte sich bereits nach Frankreich abgesetzt. Nach Deutschland zurückgekehrt, wurde er Honorarprofessor an der technischen Hochschule in Stuttgart und arbeitete für die Europäische Raumfahrtorganisation. Kurz vor seinem plötzlichen Tod im Jahre 1964 vollendete er einen Projektvorschlag für einen Weltraumtransporter, der zur Grundlage für das amerikanische Space-Shuttle-Programm der 1990er Jahre wurde.

Über alte Brücken und Viadukte ging unsere Fahrt weiter nach Sonnenberg, heute Vysluni. Hier ist das alte Bahnhofsgebäude von 1872 noch erhalten. Schade, dass alle Bahnhöfe entlang der Strecke oft bis zu 2 km von den jeweiligen Städten entfernt gebaut wurden. So auch in Sonnenberg. Und daher ist die Sehenswürdigkeit dieser Stadt vom Zug aus nicht zu sehen. Sonnenberg ist bekannt wegen seiner im Verhältnis zur Größe der Stadt übermäßig großen Kirche.Auch hier wußten wir eine Geschichte zu erzählen, zu der wir aber nirgends schriftliche Beweise fanden. Mehrere Mitfahrer unseres Zuges bestätigten uns aber die Richtigkeit.

Ein wohlhabender Mann soll sein ganzes Vermögen zum Bau einer Kirche im böhmischen Sonnenberg hinterlassen haben. So wurde im erzgebirgischen Sonnenberg mit dem Bau dieser sehr großen Kirche begonnen, wie es der Spender festgelegt hatte. Als es an den Bau des Kirchturms ging, stellte jemand fest, dass der Verstorbene ein ganz anderes Sonnenberg gemeint hatte, nämlich das Sonnenberg in Südböhmen. Dieser Fehler konnte nicht mehr bereinigt werden und so kommt es, dass heute in Sonnenberg im Erzgebirge die St. Wenzelskirche steht, genannt der DOM DES ERZGEBIRGES.

Über Neudorf ging es weiter nach Krima, wo es zur Zeiten der Dampfloks eine Wasserauffüllanlage gab. Auch hier steht der Bahnhof noch, befindet sich aber leider in Privatbesitz. Daher ist die Besichtigung des großen Wandgemäldes aus dem Jahr 1872, das die erste Ankunft einer Dampflok in Brünn im Jahr 1839 darstellt, leider nicht möglich. Krima liegt noch 751 m hoch. Das bedeutet, dass es auf den letzten 20 km der Fahrt ziemlich steil abwärts gehen muss, denn Komotau liegt nur 355 m über dem Meeresspiegel. Insgesamt muss der Zug auf der gesamten Strecke 520 Höhenmeter überwinden, was zur damaligen Zeit eine enorme technische Herausforderung darstellte.

Die letzten drei Haltestellen vor Komotau sind Krima-Haltestelle, Krima-Suchdol und Domina-Schönlind. In Tschernowitz, der letzten Station vor Komotau, stand früher ein großes Bahnhofsgebäude, heute nur noch ein kleiner Unterstand.

Schlechthin Hübl wirst du genannt

und bist doch die Krone vom Böhmerland.

Dessen Täler, Berg und Auen

man hier hoch entzückt kann schauen.

Bohemia, von all deinen Bergen, die ich weiß,

bekommt dieser Hübl den ersten Preis.

Endlich am Ziel unserer Fahrt angelangt, stiegen die Fahrgäste am Komotauer Bahnhof aus, um sich die Füße zu vertreten. Nachdem der rote und der blaue Waggon abgekoppelt und ein weiterer grün-gelber Waggon angehängt wurden, konnte unsere Rückfahrt als offizielle Sonderfahrt beginnen.

Die Fahrt von Komotau in Richtung Domina-Schönlind und Krima geht nun stetig aufwärts. Auf diesem Streckenabschnitt müssen extreme Steigungen bewältigt werden, die nur mit 180 Grad Kehren als Serpentinen zu schaffen sind. Zur Zeit der Erbauung dieser Strecke, konnten die Dampfloks die Waggons nicht mit eigener Kraft hinaufziehen. Aus diesem Grund fuhr bis über die steilste Stelle hinten eine weitere Dampflok mit, die den Zug schob. Am höchsten Punkt angelangt, verabschiedete sich die hintere Lok mit lautem Gehupe, fuhr die Strecke nach Komotau rückwärts wieder zurück und wartete auf dem Komotauer Bahnhof auf ihren nächsten Einsatz.

Auch unser Zug kam nur langsam voran. Einige Fahrgäste erzählten von ihren Erlebnissen mit der Bahn, schilderten ihre letzte Fahrt, die sie bei ihrer Vertreibung nach Kriegsende antreten mussten und vom vielen Schnee, mit dem die Bahn in den strengen Wintern des Erzgebirges zu kämpfen hatte. Oft und oft ist der Zug stecken geblieben oder der Verkehr musste für Tage gänzlich eingestellt werden.

Wieder in Krima, stiegen alle zu einem halbstündigen Aufenthalt aus. Alte verrostete Waggons und Loks standen auf den Gleisen, die zu bestaunen waren.

Wolfgang Rücknagel und Wolfgang Zdenik packten ihre Gitarren aus und Birgit Lenk aus Bärenstein fing in Begleitung der beiden an, alte Erzgebirgslieder zu singen. Es dauerte nicht lange, bis die ganze Gesellschaft mit einstimmte.

Nach diesem schönen gemeinsamen Erlebnis setzten wir unsere Fahrt durch das sommerliche Erzgebirge fort. Die Gäste lauschten unseren Erzählungen, vor allem denen von Uwe Schulze, unterhielten sich und genossen die herrliche Landschaft.

Beim ehemaligen Bahnhof von Kupferberg machten wir einen zweiten Halt. Herr Edmund Wohlrab, Obmann der vertriebenen Kupferberger, erzählte uns hier vom alten Kupferberg und vor allen Dingen vom Bergbau dieser Stadt. Passend zu diesem Ort stimmten wir das Bergmannslied "Glück auf" an. Sogleich wurden wir von Herrn Wolfgang Zdenik mit der Gitarre begleitet und alle sangen mit.

Ein letztes Mal stiegen alle wieder in den grün-gelben Zug ein. Unser Abenteuer "Weiperter Zugfahrt" fuhr seinem Ende entgegen. In Schmiedeberg verließen uns die ersten Passagiere um zu einem Klassentreffen zu gehen. In Neugeschrei hielt unser Zug abermals, um die Landsleute raus zu lassen, die an der Kaffeetafel an der Neugeschreier Kirche teilnehmen wollten. Und kurz vor 15 Uhr erreichten wir wieder den Weiperter Bahnhof. Am Bahnsteig versammelten sich die Fahrgäste noch ein letztes Mal, bedankten sich bei den Lokführern, bei Jan Martasek, Uwe Schulze und uns beiden, kauften freundlicherweise noch von den restlichen guten und mit Liebe belegten Brötchen. Harald Runge aus Oberwiesenthal, mit 90 Jahren zusammen mit Heinz Illing aus Katzwang bei Nürnberg, der älteste Teilnehmer, und Edmund Wohlrab ergriffen am Schluss noch einmal das Wort, schilderten emotional bewegt ihre persönlichen Eindrücke und sprachen der Organisation ihren Dank aus. Gerhard Scharf, Vorstand des Heimatausschusses Weipert, sprach Worte zum Abschied und Uwe Schulze bat alle Teilnehmer, diese Strecke so oft wie möglich zu fahren, damit diese historische Zugstrecke nicht geschlossen werden muss. Denn den Erhalt dieser einzigartigen Strecke wünschen sich nach dieser schönen Fahrt alle.

Wolfgang Zdenik und Wolfgang Rücknagel stimmten noch einmal die Gitarren und die ganze Gemeinschaft stimmte zum Abschluss dieses einmaligen Erlebnisses vor dem Weiperter Bahnhof die Erzgebirgshymne "´s is Feierohmd" an. Unser wunderschöner Zug trat seine Rückfahrt nach Komotau an und wir unseren Nachhauseweg.

Unser Abenteuer "Weiperter Zugfahrt" war zu Ende und wir glauben, dass wir uns den Worten des Lokführers Karl Jentscher anschließen können, der am Endes seines Reiseberichtes aus dem Jahre 1880 schreibt:

"Das Ziel unserer Reise ist erreicht. Wir haben viel gesehen, das uns wohl noch lange in Erinnerung bleibt."

Weiperter Zugfahrt

am 9. Juni 2018